Reparaturprozess
Während über den Konfigurationsprozess (Plankonfigurationen eingeschlossen) neue Konfigurationen entstehen, werden im Reparaturprozess bestehende Konfigurationen verändert. Der Reparaturprozess ist die ständige Möglichkeit bestehende Konfigurationen an die realen, sich stetig verändernden Umstände anzupassen.
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Warum braucht es einen Reparaturprozess?Der Reparaturprozess ist aus mehreren Gründen zentral, von denen nur einige folgend ausgeführt werden:
Ausgleich der Zufälligkeiten im Konfigurationsprozess: Da zusätzliche Tätigkeiten vorgeschlagen werden, wenn sich zu den bereits vorgeschlagenen Tätigkeiten in einem bestimmten zeitlichen Abstand niemand zuordnet hat, haben die entstehenden Konfigurationen immer auch einen zufälligen Charakter. Ganze Stränge zur Bedarfsdeckung können entstehen, nur weil eine Person zu einem bestimmten Moment nicht die Möglichkeiten ihrer Beteiligung geprüft und somit eine Tätigkeit verpasst hat, an der sie eigentlich interessiert gewesen wäre. Eine solche Tätigkeit könnte einen ganzen (eventuell sehr aufwendigen) Strang zur Bedarfsdeckung unnötig gemacht haben.
Lösungsfindung bei Unzuverlässigkeit oder Verhinderung: Jemand kann sich einer Tätigkeit zugeordnet und diese auch nach dem Konfigurationsprozess bestätigt haben, geht anschließend der Tätigkeit aber entweder nicht oder nur auf problematischer Weise nach. Problematisch kann hier eine nicht abgesprochene Zeitverzögerung bedeuten oder auch eine mangelnde (sinnlich-funktionale) Qualität des Resultates. Der Reparaturprozess soll helfen Lösungen für solchen Situationen zu finden. Im Falle von Unzuverlässigkeiten können →[Sanktionen] notwendig werden, um solche Störungen abzumildern.
Lokale Verdichtung zusammenhängender kontinuierlicher Tätigkeiten: Es kann sich herausstellten, dass einige Tätigkeiten im immer gleichen Zusammenhang kontinuierlichen bestehen bleiben und so Stabilität gewährleisten. Da sowohl die Auswahl der Tätigkeiten sowie die Auswahl der Lokalitäten tendenziell unabhängig voneinander stattfinden, kann es sinnvoll werden, solche Tätigkeiten „zusammenzuziehen“. Es geht also darum, möglichst dauerhafte Orte zu schaffen, in denen Tätigkeiten, deren dauerhafter Zusammenhang sich durch die Vermittlung von Bedürfnissen und dem Prozess der Selbstzuordnung ergibt, möglichst nahe zusammengehalten werden, um lange (und damit entsprechend aufwändige) Transportwege zu vermeiden und spontane Absprachen zu erleichtern.
Effizientere gemeinsame Nutzung von Mitteln: Es kann sich etwa herausstellen, dass dasselbe Mittel von unterschiedlichen Personen an unterschiedlichen Orten verwendet wird und es, wenn es sich zum Beispiel um eine schwerere Maschine handelt, sinnvoll wäre, die Lokalität einer Tätigkeit statt die Lokalität des Mittels zu verändern. Oder es stellt sich heraus, dass zwei Tätigkeiten auf zwei gleiche Mittel zurückgreifen und eines von beiden gemeinsam verwendet werden kann, wodurch das zweite weiter für andere Tätigkeiten (falls es sich um ein gesellschaftliches Mittel handelt) offen ist.
Änderung bei den Verfügungsmöglichkeiten: Das kann bedeuten, dass entweder eingeplante Mittel doch nicht verwendet werden können (weil sie anderweitig benötigt werden oder ihr Zustand unerwartet problematisch ist) oder dass neue Mittel zur Verfügung stehen und damit auch neue Konfigurationen zur Bedürfnisbefriedigung möglich werden. Ein besonderer, aber wesentlicher Fall hierbei ist die Diskrepanz zwischen Software-vermittelter und nicht-Software-vermittelter Zwecksetzung von Mitteln. Ein →[sozialer Prozess] zur Verwendung von Gemeingütern kann nicht die am Commoning Beteiligten ausschließen, die diese Software nicht verwenden. Nicht an der Software-Vermittlung Beteiligte müssen in diesen sozialen Prozess mit einbezogen werden und es braucht Kommunikationsmöglichkeit der über die Software getroffenen Absprachen nach außen. Und genauso können Gemeingüter außerhalb der Software-Vermittlung eingeplant worden sein, was den an der Software-Vermittlung Beteiligten unbekannt ist in der anschließend Kooperation wieder zu Störungen führt. Einerseits braucht es Funktionen, wie solche nicht-Software-vermittelten Absprachen möglichst einfach zur Software „durchdringen“ können, anderseits – und das ist an dieser Stelle alleine relevant – muss es über den Reparaturprozess möglich werden mit solchen Situationen umzugehen und eventuell alternative Möglichkeiten zu finden, vermittelte Bedürfnisse trotzdem zu befriedigen.
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Werkzeuge des ReparaturprozessesSehr wichtig zum Verständnis des Reparaturprozesses ist: Der Reparaturprozess ist nicht ein Werkzeug bzw. eine Methode, wie es etwa der Konfigurationsprozess ist. Der Reparaturprozess ist die Anwendung einer Vielzahl von Werkzeugen, um bestehende Konfigurationen den Bedürfnissen von Beteiligten und Betroffenen anzupassen. Wie die Auflistung an Situationen, in welchen ein Reparaturprozess notwendig sein kann, nicht vollständig sein kann, ist es auch die folgende Auflistung an möglichen Werkzeugen nicht.
Sehr relevant dabei sind diverse automatisch ablaufende Analysen, durch welche die Struktur selbst immer wieder aufs Neue danach überprüft wird, wie sie effizienter gemacht werden könnte. Das heißt, es muss automatisch geprüft werden, welche neuen Konfigurationen möglich werden, wenn neue Mittel zur Verfügung stehen und wie die bestehenden Konfigurationen dahingehend verändert werden müssen. Weiter muss überprüft werden, welche kontinuierlichen Transportwege (gleiche Ortsveränderungen immer gleicher Mittel) es gibt, um Konfigurationen lokal zu verdichten. Es muss automatisch überprüft werden, inwiefern sich geänderte →[Nutzungsbedingungen von Mitteln] auf kontinuierliche Tätigkeiten auswirken. Es muss die lokale Umgebung überprüft werden, wo derselbe Bedarf durch unterschiedliche Tätigkeiten gedeckt wird und sich unterschiedliche Konfigurationen also (früher) vereinigen lassen, womit der Gesamtprozess dichter und damit auch stabiler werden kann. Und selbstverständlich muss immer wieder geprüft werden: Welche Selbstzuordnungen zu welchen Tätigkeiten wären notwendig, damit Konfigurationen effizienter werden könnten?
Neben den automatischen Prozessen, muss der Reparaturprozess aber auch bewusst angestoßen werden können. Alles was die Software an Vorschlägen hervorbringen kann, ist effizient innerhalb der Kategorien, in denen die Software arbeiten kann. Was ihr vollständig verborgen bleibt ist alles Menschliche. Wer lernt sich vielleicht über die Kooperation im ununterbrochenen Commoning kennen und möchte lokal nahe zusammen tätig sein? Welche Tätigkeiten fühlen sich gut an, auch wenn sie den verarbeitbaren Informationen nach vielleicht nicht effizient sind? Wo entsteht vielleicht Lärm und damit die Notwendigkeit, entweder die ganze Konfiguration oder die Lokalität bestimmter Tätigkeiten zu verändern?
Wie der Planungsprozess ist auch der Reparaturprozess eine Möglichkeit, um gegen die vorgegebene Richtung des Konfigurationsprozesses arbeiten zu können. Wichtig dabei ist, dass bei Änderungen der Struktur alle davon Betroffenen mitreden können [Anmerkung] und es entsprechende Strukturen zur Klärung gibt (→[Kommunikationsstruktur]). Grundlegend dabei ist es als beteiligte Person einstellen zu können, bei welcher Art von Änderung eine Benachrichtigung erfolgen soll bzw. die eigene Meinung unbedingt gehört werden soll bzw. welcher Art von Änderungen sich schlicht gefügt wird. Ob es schließlich zu Änderungen kommt, wie diese aussehen und wie vorgegangen wird, um diese zu erreichen, ist schließlich wieder eine Frage des →[sozialen Prozesses]. Durch die Werkzeuge des Reparaturprozesses sollen lediglich mögliche Änderungen zur Effizienzsteigerung herausgestellt und getroffene Entscheidungen umgesetzt werden können. Die Umsetzung der Änderung kann teils über den [→Konfigurationsprozess] vonstatten gehen.
Vergleiche besonders das dritte, bei ihrer Nobelpreisrede vorgestellte Designprinzip für langlebige Commons-Institutionen von Elinor Ostrom: „Gemeinschaftliche Entscheidungen: Die meisten Personen, die von einem Ressourcensystem betroffen sind, können an Entscheidungen zur Bestimmung und Änderung der Nutzungsbedingungen teilnehmen (auch wenn viele diese Möglichkeit nicht wahrnehmen).“ In der Übersetzung aus Silke Helfrich und David Bolliers Frei, Fair und Lebendig (S.317)