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Johannes Eulers Commoning-Definition

Die Definitionen 'Commons' (dt.: Gemeinsamen) und 'Commoning' (dt.: Gemeinschaffen) sind umstritten. Wir verwenden die Definition nach Johannes Euler, welcher Commons als eine soziale Form von Mitteln beschreibt, die durch den Prozess des Commonings bestimmt sind. Im O-Ton (und im Kontext auf Wasser gemünzt):

"Wasser wird dann zu einem Commons [...], wenn es eine soziale Form annimmt, die bestimmt ist durch die freiwillig und inklusiv selbstorganisierte Versorgung und Vermittlung von auf die Befriedigung von Bedürfnissen abzielenden Peers.” (Wasser als Gemeinsames, S.78)

Für Interessierte folgend das Kapitel aus Eulers 'Wasser als Gemeinsames', in welchem er nach längeren Überlegungen zu der zitierten Begrifflichkeit gelangt.


2.8 Fazit: Commons jenseits der Warenform am Beispiel Wasser#

Nach der ausführlichen Erörterung der unterschiedlichen Aspekte des Commons- Begriffs gilt es nun zum Thema Wasser zurückzukehren. Gleichzeitig soll der Begriffdem der Ware gegenübergestellt werden. Innerhalb des Commons-Diskurses werden diese beiden sozialen Formen – Commons und Ware – häufig als gegensätzlich dargestellt (vgl. Bakker 2007: 436; Euler 2018b; Meretz 2014, 2017). Die Geografin Karen Bakker (2007: 441) verdeutlicht die unterschiedlichen Grundlogiken anhand des Wasser-Beispiels: »[T]he commodity view asserts that private ownership and management of water supply systems (in distinction from water itself) is possible and indeed preferable.« Privatwirtschaftliche Wasserunternehmen sind demnach, wie bei anderen Waren auch, den Kundinnen und Shareholderinnen gegenüber verpflichtet, die Wasserversorgungssysteme effizient und profitabel zu bewirtschaften. Mit Rückgriff auf Karl Marx (1890) wird eine Ware als etwas bezeichnet, das von miteinander konkurrierenden Produzentinnen aus Gewinnabsichten hergestellt wurde und zum Verkauf angeboten wird.

Im Gegensatz dazu können Commons, und damit auch Wasser-Commons, als etwas bezeichnet werden, das von miteinander kooperativ verbundenen Versorgenden zum unmittelbaren Zwecke der Befriedigung von Bedürfnissen reproduziert und produziert wird. Folgerichtig unterscheidet sich auch die Commons-Perspektive auf Wasser deutlich von der Waren-Perspektive. Im Gegensatz zur zweiten erkennt die erste laut Bakker die besonderen Eigenschaften des Wassers an: »[W]ater is a flow resource essential for life and ecosystem health; non-substitutable and tightly bound to communities and eco-systems through the hydrological cycle« (ebd.). Aus dieser Sicht sei ein gemeinsames Wassermanagement aus drei Gründen notwendig. Erstens sei mit Wasserversorgung vielfältiges Staats- und Marktversagen verbunden – beispielhaft können hier Korruption und Monopolbildung genannt werden. Zweitens habe Wasser wichtige kulturelle und spirituelle Dimensionen, die eng mit ortsgebundenen Praktiken verknüpft seien, weshalb das Wassermanagement nicht privatwirtschaftlichen Unternehmen überlassen werden dürfe. Drittens: »[W]ater is a local flow resource whose use and health are most deeply impacted at a community level; protection of ecological and public health will only occur if communities are mobilized and enabled to govern their own resources« (ebd.).

Laut Acksel et al. (2015: 134) werden beim Commoning die »Nutzung, Erhaltung und Produktion vielgestaltiger Ressourcen gemeinsam organisiert und verantwortet«, wobei die betreffenden Ressourcen durch ihre jeweiligen biophysischen Eigenschaften gewisse Handlungen eher nahelegen als andere Ressourcen. So meint López Rivera (2015: 52f.) beispielsweise, dass sich Wasser der Kommodifizierung entziehe. Etwas differenzierter betrachtet es Bakker (2007: 436), die argumentiert, dass sich mobile Ressourcen – etwa bei der Fischerei – besser für eine marktwirtschaftliche Lösung eignen würden als natürliche Monopole wie Trinkwassernetzwerke. Empirisch lässt sich allerdings in all diesen Bereichen Wasser in Commons-Form und Wasser in Warenform beobachten.

»Water is perceived as a commodity, as commons, as a basic right, a scarce resource and a source of divinity. When we take a particular stand on water, other perceptions seems to be wrong. For instance, those who regards water as ›commons‹ or a ›common property resource‹ tend to deny vehemently that it is a ›commodity‹. Contrariwise, those who see water as a ›commodity‹ are often blind to the other dimensions of water« (Nikku 2004: 3).

Theoretisch kann Wasser also beides sein, Ware und Commons. Dieser Befund entspricht der unter 2.3.3 formulierten Kritik an einem güterbasierten Commons- Verständnis.

Es liegt nicht am Wasser selbst, ob es ein Commons oder eine Ware ist, sondern an den maßgeblichen sozialen Praktiken und Beziehungen.48 Wasser ist nicht gleich Wasser, sondern es ist durchaus von Bedeutung, ob es sich um Trinkwasserversorgung, Abwasser, Fischgründe, Regenwasser, Badegewässer oder die damit verbundenen Infrastrukturen handelt. Auch spielen räumliche, zeitliche und kulturelle Fragen eine entscheidende Rolle. In all dem steckt die Möglichkeit, ein Commons zu sein. »Ob wir also den Apfel, das Wasser und das Wissen zum Gemeingut machen, ist unsere Entscheidung« (Helfrich 2012b: 90). Dem im vorliegenden Kapitel entwickelten Verständnis zufolge wird Wasser dann zu einem Commons – und damit ist die erste Forschungsfrage aus theoretischer Sicht beantwortet –, wenn es eine soziale Form annimmt, die bestimmt ist durch die freiwillig und inklusiv selbstorganisierte Versorgung und Vermittlung von auf die Befriedigung von Bedürfnissen abzielenden Peers.